Mit etwa 80 Gästen war am 3. Juli 2018 das erste interreligiöse Abendforum, welches die Evangelische Akademie zu Berlin und das Berliner Forum der Religionen im Casalis-Saal der Französischen Friedrichstadtkirche gemeinsam veranstalteten, mehr als gut besucht.
Dr. Eva Harasta (Akademie) und Dr. Michael Bäumer (Forum) moderierten den Abend zum Thema Meister, Gurus und Heilige. Über Autorität und Anleitung im Glauben.
Den Input gab die Religionswissenschaftlerin Prof. Almut-Barbara Renger, die zunächst über die Begriffs- und Ideengeschichte des Meisters und das ihm zugeschriebene Charisma referierte. Dessen Bild und Attraktivität habe sich im Laufe der Zeit gewandelt, vor allem durch den Einfluss von H. P. Blavatskys Theosophischer Gesellschaft, in den 1960er Jahren aber auch durch die Jugend- und Protestbewegung. Im Zuge des New Age kam es dann zu einem regelrechten „Guru-Boom“, die Nachfrage nach religiösen Experten vornehmlich aus Asien stieg deutlich an.
Die Podiumsdiskutanten Sr. Hannelore (Franziskanisches Hospiz Tauwerk), Feride Funda G.-Gencaslan (Sufi-Zentrum Rabbaniyya Der Wahre Mensch) und Gerald Seifert (Soka Gakkai International – Deutschland) betrachteten sich als Schüler oder bescheiden als Anwärterin auf Schülerschaft, die die jeweiligen Referenzpersonen in ihrer Tradition als Vorbild nehmen – auch um das eigene Charisma zu entwickeln. Während Sr. Hannelore Jesus als Meister betrachtet und Einstellung sowie Verhalten von Franziskus in die heutige Zeit übersetzen möchte, betonte Feride Funda Gencaslan die physische Verbindung zu einem Meister vor Ort, der durch Spiegelung zur Selbsterkenntnis führen kann. Gerald Seifert hingegen sieht das entscheidende Moment darin, dass sich Meister und Schüler für das gleiche Ziel (Menschlichkeit) einsetzen – mit dem Unterschied, dass der Meister idealerweise keinen Zweifel hat und auch dadurch inspiriert.
„Guru-Hopping“ in einer Zeit vielfältiger Angebote war ein weiteres Diskussionsthema. Prof. Renger merkte an, dass wie in einer Zeit von spiritueller Autonomie und Demokratisierung leben, in der ein Meister immer stärker zum Mentor und Coach wird.
In einer informationsüberfluteten Zeit mit zu vielen Bildern sei es schwierig ein Vorbild zu wählen. Die Diskutanten waren sich einige, dass die Wahl einer Lehre und eines Meisters eine Herzensangelegenheit ist, die einer klaren Entscheidung bedarf. Sr. Hannelore beispielsweise fühlt sich durch den Umgang Franziskus‘ mit den Menschen, sein Hinhören, stark angezogen.
Abhängigkeit führe zu einer Schiefhanglage, Missbrauch disqualifiziere jeden Meister: Darin waren sich alle einig. Meisterschaft sei aber nicht gleichzusetzen mit Perfektionismus, der jenseits von Menschlichkeit existiert. Wichtig sei daher der Mut zum Eingestehen von Fehlern. Nach dem Koran sei der Mensch schwach geschaffen, um aus der Dualität zur Einheit zu finden. Auf diesem Weg seien nicht Zweifel, sondern Weisheit angeraten.
Einige Fragen aus dem Publikum konnten abschließend noch beantwortet werden, andere blieben auch aus Zeitgründen offen. Insgesamt ein erfolgreicher Start der interreligiösen Abendforen, die im September fortgesetzt werden.
Matthias Bertsch hat für das rbb Kulturradio einige Diskutanten interviewt. Sein Beitrag ist in der Mediathek in der Sendung “Religion und Gesellschaft” vom 13.07.2018 zu hören. Alternativ kann auch direkt die Audiodatei aufgerufen werden.
Hanna Fülling hat für die EZW einen ausführlichen Bericht geschrieben. Auch auf der Seite der Evangelischen Akademie befindet sich ein Bericht.