Respekt – Dialog – Zusammenhalt: Stellungnahme gegen die Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung

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Der Koordinierungskreis des Berliner Forums der Religionen hat sich einstimmig bei zwei Enthaltungen zur Veröffentlichung folgender Stellungnahme entschlossen, um die Perspektive religiöser Menschen stärker in die Diskussion über das Neuköllner Projekt einzubringen.

Stellungnahme des Koordinierungskreises des Berliner Forums der Religionen zur Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung

Respekt – Dialog – Zusammenhalt

Diese drei Begriffe stehen nicht nur für die Ziele unserer Arbeit, sondern sind gleichzeitig auch ihr Fundament. Seit 2014 engagiert sich das Berliner Forum der Religionen für den interreligiösen Dialog sowie den Austausch der Religionsgemeinschaften mit der Berliner Stadtgesellschaft. In unserem Selbstverständnis heißt es:

„Wer miteinander spricht, sich begegnet, gewinnt Wertschätzung und Respekt gegenüber dem Anderen, der anders glaubt.“

Bei uns heißt dies konkret: In unserem Koordinierungskreis, den Arbeitsgemeinschaften und Initiativkreisen begegnen sich regelmäßig Menschen aus über 20 verschiedenen Religionsgemeinschaften. Sie engagieren sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin und leisten einen Beitrag zum friedlichen Miteinander in unserer Stadt.

Rassismus – Denunziation – Zensur

Das Projekt „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ will religiös gedeutete Konflikte an Neuköllner Schulen durch das Lehrpersonal dokumentieren und fokussiert sich dabei stigmatisierend auf Schüler:innen muslimischen Glaubens. Dadurch werden bereits weit verbreitete antimuslimische Einstellungen gestärkt und antimuslimischer Rassismus gefördert. Auf die Bildungsarbeit in Moscheen und durch freie Initiativen (z. B. Deutsche Islam Akademie, Inssan, Juma, meet2respect, Violence Prevention Network, ufuq, KIgA) wird hingegen nicht eingegangen. So werden offensichtlich vorhandene Probleme wie religiöser Konformitätsdruck, Mobbing religiöser Minderheiten und andere Ausgrenzungen nicht angegangen, sondern eine Religionsgemeinschaft pauschal vorverurteilt.

Die geplante Dokumentationsstelle widerspricht unserem Selbstverständnis sowie den Zielsetzungen unserer Arbeit, Menschen unterschiedlichen Alters ein Kennenlernen und einen Austausch über ihre individuelle Religiosität zu ermöglichen. Wir haben durch unsere unterschiedlichen Dialogformate erfahren: Die menschliche Begegnung und ein respektvoller sowie offener Austausch vermindert Ängste, macht religiöse und weltanschauliche Diversität sichtbar, fordert zur eigenen Positionierung und Diskussion auf.

Werden im Kontext Schule Aussagen oder Konfliktsituationen lediglich aufgrund ihrer religiösen Konnotation an eine Registerstelle gemeldet, entsteht eine Kultur des Ausgrenzens, der Angst, Denunziation und Zensur. Weder die Lehrkräfte noch die Schüler:innen und ihre Erziehungsberechtigten setzen sich durch diese geplante Anlaufstelle konstruktiv mit Konfliktsituationen und religiösen Inhalten auseinander. In Schule (und Gesellschaft) geforderte Kompetenzen wie Perspektivwechsel, Empathie, Ambiguitätstoleranz und Konfliktmanagement bleiben auf der Strecke.

Wir unterstützen die unten verlinkte Stellungnahme „Es ist ja schon das Wort ´Allah`“, die auf präventive sowie pädagogische Maßnahmen verweist, welche Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Religiosität nicht vorverurteilen. Zudem verweist die Stellungnahme auf vielfältige professionelle und diversitätssensible Unterstützungsangebote in Berlin.

Wir leisten seit vielen Jahren unseren Beitrag u. a. durch unseren Initiativkreis „Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche“, der Schüler:innen durch vielfältige Angebote ein Kennenlernen der religiösen Vielfalt Berlins ermöglicht. Seit 2021 bieten wir für pädagogisches Personal unser Diversity-Training „Religiöse und weltanschauliche Vielfalt an Schulen gestalten“ an und sehen darin ein größeres Potential als die Errichtung einer Dokumentationsstelle, die allein schon durch ihren Namen Religion als Problem einstuft.

Der demographische Wandel zu einer ethnisch, kulturell und religiös vielfältigen Gesellschaft benötigt Offenheit und Anerkennung ebendieser Vielfalt. Es bedarf einer Haltung, die gelebte Toleranz und das friedvolle Miteinander aller Menschen bejaht. Wenn vor der Toleranz das Gespräch gesucht wird, werden sich neue Möglichkeiten eröffnen. Das Unbehagen vor dem Andersdenkenden wird kleiner werden und niemand muss sich davor fürchten zu zeigen, wer sie oder er ist.

Die Realität, in der wir alle – auch die Kinder und Jugendlichen – in Berlin leben, ist sichtbar (religiös) divers. Das Kennenlernen und Wertschätzen sowie der Umgang mit (religiöser) Pluralität befähigt Menschen ein verantwortlicher Teil der Gesellschaft zu sein.

Es ist uns ein zentrales Anliegen, Religion als eine wichtige Dimension von Mensch-sein in den Fokus unserer Arbeit zu stellen. Die geplante Anlaufstelle konfrontative Religionsbekundungen intendiert das Tabuisieren, Problematisieren und Exkludieren dieser Dimension im Kontext Schule und Bildung.

Koordinierungskreis des Berliner Forums der Religionen

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Link zur Stellungnahme „Was ist konfrontative Religionsbekundung? „Es ist ja schon das Wort ‚Allah‘“.