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Entstehungsgeschichte des Berliner Forums der Religionen
von Anika Sendes und Hartmut Rhein
Interreligiöse Initiativen und Gruppen existieren in Berlin schon seit über 100 Jahren. Mit der Entstehung der Bundesrepublik sahen es Institutionen wie die 1947 gegründete Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften (AKR) oder die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin (GCJZ) (Gründung 1949) als ihre Aufgabe an, nach den Erfahrungen während des Krieges und der Nazi-Diktatur, die Verständigungsarbeit der Religionen untereinander auf eine neue Grundlage zu stellen.
Eine Vielzahl weiterer Initiativen gesellte in den folgenden Jahrzehnten, insbesondere seit den Anschlägen des 11. September 2001, dazu. Die in den verschiedenen Stadtteilen Berlins aktiven interreligiösen Gruppen wussten jedoch nur wenig voneinander. An die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten wurde der Wunsch herangetragen, bei einer Vernetzung und einem Austausch der Gruppen behilflich zu sein. In einer Publikation wurden 2010 die zu diesem Zeitpunkt bekannten interreligiösen Gruppen Berlins vorgestellt.
Berliner Dialog der Religionen
Im Januar 2011 hat der Regierende Bürgermeister den ‚Berliner Dialog der Religionen‘ ins Leben gerufen. Ziel war es, die zahlreichen engagierten Akteure aus den religionsübergreifenden Initiativen und Religionsgemeinschaften mit einander zu vernetzen und ihr großes Engagement zu würdigen. Im Mittelpunkt stand dabei, die Wirksamkeit dieser Verständigungsarbeit in die Stadtgesellschaft hinein zu erhöhen. Die Rolle der Senatskanzlei war dabei ausschließlich eine organisierende und moderierende. Durch die religiöse Neutralität der einladenden Senatskanzlei konnten sich alle Religionsgemeinschaften und interreligiösen Initiativen gleichermaßen angesprochen fühlen. Auch die inhaltliche Einmischung der Senatskanzlei verbot sich aus Gründen der staatlichen Neutralität.
Das Angebot wurde gerne angenommen: Zu den ersten Konferenzen im Jahr 2011 folgten bis zu 250 Personen der Einladung ins Rathaus. Sie repräsentierten über 60 Religionsgemeinschaften und rund 80 interreligiöse Initiativen. Die Formate der Konferenzen waren so gestaltet, dass alle, die an einer religionsübergreifenden Verständigung interessiert waren, zu Wort kommen und ihre Erfahrungen, Ideen und Anliegen einer religionsübergreifenden Zusammenarbeit einbringen zu konnten. In einem zweiten Schritt haben die Akteure selbst aus der Vielzahl der Vorschläge die Themen ausgewählt, die sie zunächst weiter verfolgen wollten. Hieraus sind ‚Initiativgruppen‘ hervorgegangen. Grundlage für deren Arbeit und Bestand war, deshalb das Wort, die Initiative ihrer Mitglieder.
Entstehung des Berliner Forums der Religionen: Gründung im März 2014
Schon früh wurde von den Teilnehmenden der Wunsch geäußert, die berlinweite religionsübergreifende Zusammenarbeit auf eine institutionelle Grundlage zu stellen, die unabhängig vom Engagement der Senatskanzlei agieren und bestehen könne.
In anderen Städten gibt es Vorbilder wie Runde Tische oder Räte der Religionen. Für Berlin haben sich die Teilnehmenden ein offenes Format vorgestellt, dass der großen Vielfalt an Religionsgemeinschaften, spirituellen Gruppen und religionsübergreifenden Initiativen gerecht wird, alle Interessierten einbindet und dessen Fokus auf der konkreten, themen- oder projektbezogenen Zusammenarbeit liegt. Ergebnis dieser Überlegungen ist das Berliner Forum der Religionen. Es wurde im März 2014 von rund 100 Teilnehmenden aus Religionsgemeinschaften, religionsübergreifenden Zusammenschlüssen und spirituellen Gruppen gegründet. Sie haben sich auf folgende Ziele des Forums verständigt:
- das wechselseitige Verständnis im Respekt vor der Überzeugung der jeweils Anderen im Dialog und durch Projektarbeit zu fördern,
- gemeinsam die Vielfalt gelebten Glaubens sichtbar zu machen und miteinander dazu beizutragen, dass Religionen, interreligiöse Initiativen und spirituelle Gruppen ihr konstruktives Potential in die Zivilgesellschaft einbringen können,
- den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin zu stärken und einen Beitrag zum friedlichen Miteinander in unserer Stadt zu leisten.
Das Berliner Forum der Religionen versteht sich als Gesprächsplattform der Religionen untereinander und sucht das Gespräch mit der Zivilgesellschaft. Im Mittelpunkt steht die Idee, dass sich Menschen aus ihrem jeweiligen religiösen Verständnis heraus für die Berliner Stadtgesellschaft einsetzen und das gute Miteinander in Berlin aktiv gestalten möchten. Im Berliner Forum der Religionen tun sie dies gemeinsam. Dabei gibt es verschiedene Formen der Zusammenarbeit: Veranstaltungen und Konferenzen zu gesellschaftspolitisch relevanten Fragestellungen, Publikationen sowie gemeinsame Stellungnahmen zu aktuellen Themen. Das Herzstück des Forums liegt in der thematischen Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen. Die ehemaligen ‚Initiativgruppen‘ wurden so in die Struktur des Forums eingebunden.
Gruppen und Koordinierungskreis
Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Heftes im Herbst 2015 waren folgende Gruppen aktiv:
- Lange Nacht der Religionen
- Musik der Religionen
- Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche
- Gemeinsames Jahresthema
- Frauen im interreligiösen Dialog
- Orte der Stille in Berlin
- Universelles Gedenken – die Trauerarbeitsgemeinschaft
Ein multireligiös besetzter Koordinierungskreis organisiert den Austausch zwischen den Arbeitsgruppen, lädt zu Konferenzen ein und ist Ansprechpartner für die Mitglieder sowie für die interessierte Öffentlichkeit. Der Förderkreis Freunde des Berliner Forums der Religionen e.V. unterstützt die Arbeit des Forums finanziell.
Arbeitsschwerpunkte
Der Schwerpunkt der Arbeit des Forums liegt im konkreten gemeinsamen Tun. Die Mitglieder des Forums sind natürliche Personen und keine Institutionen. Die Mitglieder müssen keine offiziellen Repräsentanten ihrer Religionsgemeinschaften sein (wenngleich eine Rückbindung der Teilnehmenden an ihre Gemeinschaften durchaus erwünscht ist). Als Mitglied des Berliner Forums der Religionen ist willkommen, wer sich den Zielen des Forums anschließen kann, Menschen anderen Glaubens mit Respekt, Offenheit und ehrlichem Interesse begegnet und sich gemeinsam mit ihnen für ein friedliches und respektvolles Miteinander in Berlin einsetzen möchte.
Aus: „Jeder nach seiner Façon – Vielfalt und Begegnung der Religionen in Berlin“, Publikation des Berliner Forums der Religionen, Berlin 2015 (leicht abgewandelt)