Der zweite Abend der Veranstaltungsreihe „Interreligiös für Frieden“ stand unter dem Thema „Religion und Politik: Religionspolitik in der Zuwanderungsgesellschaft“.
Moderator Thomas Schimmel ging in seiner Einleitung auf die Geschichte Deutschlands als Einwanderungsland ein, ehe er das Mikrofon an die Soziologin und Anthropologin Hanna Berg weitergab. Hanna Bergs qualitative Feldforschung basiert auf der Studie „Multireligious Approach to Integration“, die von Majbritt Lyck-Bowen (Center of Religion, Reconciliation and Peace, University of Winchester) durchgeführt wurde. Das entsprechende Handbuch kann unter https://ecrl.eu/wp-content/uploads/Multi-ReligiousApproachestoIntegration.pdf heruntergeladen werden.
In ihrem Vortrag beschrieb sie Integration als einen Prozess, der mit einer Baumverpflanzung vergleichbar ist: Solch ein Baum muss sich mit zwei verschiedenen Erdböden „anfreunden“. Aus Sicht der Integrationsdienste in Schweden, Polen, Großbritannien und Deutschland, die an der Fallstudie teilnahmen, werden durch den multireligiösen Ansatz durchaus Vorteile generiert: ein größeres Verständnis der Bedürfe der Migranten, besseres Kennenlernen der gastgebenden Gemeinschaft durch die Migranten sowie ein klareres Verständnis der Rolle der Religion auf Migrantenseite. Werden diese positiven Ergebnisse auch von den Migranten so wahrgenommen? Hanna Berg ging dieser Frage mit Interviews in Goda Grannar („Gute Nachbarn“) nach, einer Einrichtung, die sich im Zentrum Stockholms zwischen Kirche und Moschee befindet. Die Ergebnisse zeigten eine große Übereinstimmung mit der Einschätzung der Integrationsdienste. Besonders hervorgehoben wurde, dass alle Migranten unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit gleichwertig behandelt wurden. Eine Mehrheit konnte durch das Projekt Freundschaften außerhalb der eigenen Gruppe knüpfen. Eine stärkere Unterstützung wird jedoch bei der Integration in den Arbeitsmarkt gewünscht.
Dieses Projekt war auf die Kooperation zwischen der Svenska Kyrkan in Södermalm, Stockholms Moské und Islamic Relief beschränkt. Weitere Studien auch mit anderer Beteiligung sollen folgen.
In seiner Replik korrigierte Leon Godeffroy zunächst das vorherrschende Bild von Charlottenburg. Entgegen der Annahme einer gutsituierten Bevölkerung handelt es sich um einen sehr vielfältigen Bezirk mit 40% Migrationshintergrund. Man dürfe nicht dem Fehler verfallen, dass jeder Migrant einen religiösen Hintergrund habe. Religion sei nur Teil einer Identität, wenn überhaupt. Auch sei es ein Fehler, nicht-christliche Religionsgemeinschaften generell als Ziel der Integration zu betrachten. So sind beispielsweise alle Mitglieder der Seituna-Moschee in Berlin aufgewachsen.
Dem Interreligiösen Dialog Charlottenburg-Wilmersdorf gelinge es gegenseitig Ressourcen freizusetzen. Eine Aufgabe der Integrationspolitik bestehe in der Schaffung eines gleichberechtigten Zugangs zu Ressourcen. Die Kirchen haben beispielsweise den Umgang mit Ämtern auch zur Akquise von Finanzen professionalisiert – davon können kleinere Gemeinschaften lernen.
Als 2015 sehr viele geflüchtete Menschen nach Berlin kamen, war das Land strukturell überfordert. Stattdessen haben zivilgesellschaftliche und religiöse Organisationen haupt- und vor allem ehrenamtlich sehr viel geleistet.
Auf eine Frage aus dem Publikum nach einem Beispiel multireligiöser Zusammenarbeit in Berlin wurde das christlich-muslimische Seelsorgetelefon hervorgehoben.
Ein besonderer Dank gebührt wie gestern schon den ehrenamtlichen Unterstützern der Veranstaltung sowie Annette Kreutziger-Herr für ihre Übersetzung. Die 40 Teilnehmer tauschten sich am Ende noch in lockerer Atmosphäre lebhaft aus.
Die Veranstaltungsreihe schließt am 22.08. um 19:00 Uhr mit dem Thema „Das unterschätzte Potential: Frauen als Friedensstifterinnen in den Religionen“ ab. Austragungsort sind die Interkulturanstalten Ulme 35 in der Ulmenallee 35, 14050 Berlin.