Von guten Mächten wunderbar geborgen
Am Donnerstag vor 75 Jahren, am 9. April 1944, einen Monat vor Ende des Krieges, wurde Dietrich Bonhoeffer, evangelischer Theologe, Pfarrer und Leiter eines Ausbildungsseminars der Bekennenden Kirche im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet – wie auch weitere Widerständler gegen Hitler und den Nationalsozialismus an diesem Tag ermordet wurden. In den zwei Jahren seiner Gestapo-Haft in Berlin schrieb er Gebete, Gedichte, Meditationen, die bis heute – nicht nur in den evangelischen Kirchen – Leid und Verzweiflung zur Sprache bringen, Trost und Halt geben, von vielen Menschen mitgebetet werden.
Das berühmteste Gebet ist zum Lied geworden: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag“. Er schickte es am 19. Dezember 1944 an seine Verlobte Maria von Wedemeyer als „Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister“. Am Anfang des Briefes schrieb er: „Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du und die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: ‚zweie, die mich decken, zweie, die mich wecken‘, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“ (Brautbriefe, 208)
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.