Interreligiöse Fachtagung „Wie möchtest du sterben? Kultursensibel leben, würdevoll sterben“
Glaube und Spiritualität bieten vielen Halt am Lebensende. Dabei begegnen Begleitpersonen und Pflegepersonal den vielfältigen Glaubenswelten der Patient:innen. Diesbezügliche Herausforderungen betrachteten wir mit der Zentralen Anlaufstelle Hospiz auf unserer Fachtagung „Umgang mit Tod und Trauer in verschiedenen Kulturen und Religionen“. Groß war das Interesse an einem gelungenen kultursensiblem Umgang mit Patient:innen. Die Teilnehmenden wünschten sich Einblicke in Bedarfe von Menschen mit muslimischem Kontext. Diesen Wünschen gingen wir seitdem in unserer monatlichen Arbeitsgruppe nach. Auf unserer diesjährigen Fachtagung stellten wir nun in der Charlottenburger Friedenskirche unsere beiden Handreichungen vor und hoffen, dass sie viele wertvolle Begegnungen ermöglichen.
Checkliste für Kultursensibilität schafft Vertrauen im Pflegealltag
In der Checkliste für kultursensibles Handeln im Hospiz- und Palliativ-Bereich gibt Dr. Siavash Tehrani (SAPV-Arzt) Pflegekräften und Patient:innen Leitlinien für eine gelingende interkulturelle Kommunikation an die Hand. Dabei setzt er auf das in Pflegekreisen bekannte Kitteltaschenformat – zugeschnitten auf den medizinischen Praxisalltag. Die Checkliste sollen Pflegekräfte ihren Patient:innen zu Beginn der Behandlung überreichen. „Das schafft Vertrauen und Verbindlichkeit“, so Tehrani. Die Patient:innen informiert die Liste über ihre Rechte und weitere Anlaufstellen. Die Pflegenden werden darin unterstützt, die Autonomie und Würde der Patient:innen zu wahren.
Handout informiert Pflegekräfte über islamische Kultur
Imam Said Arif stellte das „Handout für kultursensibles Handeln in der Hospiz-und Palliativcare: Islam“ vor. Er betonte den hohen Informationsbedarf – Pflegekräfte fragen ihn regelmäßig in der Moschee um Rat. Herausfordernd waren für Arif die regionalen Unterschiede der muslimischen Glaubenspraxis. Weil die Handreichung den Pflegenden eine erste Orientierung vermitteln soll, wurde es so allgemein wie möglich gestaltet. Das Handout wird in Hospizen verteilt, aber auch in Moscheen und überall, wo muslimische Seelsorge gebraucht wird.
„Kultursensibilität ist keine Einbahnstraße“
Dr. Mimoun Azizi (Facharzt für Psychiatrie) forderte mehr Zusammenarbeit in der Pflege. „Kultursensibilität bedeutet, wir müssen uns zusammentun“, so Azizi. Er plädiert für einen interkulturellen Dachverband der Hospize, über nationale und religiöse Grenzen hinweg. Dafür wünscht er sich mehr politische Unterstützung. „Interkulturelle Kommunikation kann man lernen“, führte Azizi weiter aus. Kultursensibilität bedeutet für ihn, alle menschlichen und gesellschaftlichen Unterschiede anzuerkennen – über Migration und Religion hinaus. Er betonte: „Kultursensibilität ist keine Einbahnstraße“.
„Es ist noch viel zu tun“
Von seinen Erfahrungen aus der islamischen Bestattung in Berlin berichtete Isikali Karayel (Markaz internationale Bestattungen und Überführungen). Er schilderte, wie er nach islamischem Ritus die erste sarglose Bestattung in Berlin durchführte – zuvor musste der sogenannte „Sargzwang“ abgeschafft werden. Dies sei nur eine der Herausforderungen, die er als islamischer Bestatter meisterte. „Sterben in Deutschland ist sehr kompliziert“, so Karayel und meint die bürokratischen Hürden, die den Bestattungstermin tage- und wochenlang verzögern können. Im Islam soll die Bestattung 48 Stunden nach dem Tod stattfinden. „Macht das Sterben unbürokratischer“, fordert auch Imam Said Arif. Außerdem gibt es nur kleine Bereiche für muslimische Gräber auf kirchlichen Friedhöfen. Karayel kämpft seit langem für einen eigenen islamischen Friedhof in Berlin. „Es ist noch viel zu tun“, beendete der Bestatter die Gesprächsrunde.
Dieser Meinung schließen wir uns an. Die Resonanz der Teilnehmenden unserer Fachtagung und des Pflegepersonals ist so umwerfend, dass wir planen unsere Handreichungen zum kultursensiblen Handeln in der Palliativ- und Hospizpflege zu erweitern. Verschiedene Handouts zu den vielfältigen Religionen und in mehreren Sprachen sollen folgen.
Verfasst von Samantha Kneissler am 21.11.2023.
Handout und Checkliste werden bald in gedruckter Forum vorliegen.